Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren stark verändert. In vielen Unternehmen herrscht ein hoher Leistungsdruck, die anfallende Arbeit ist kaum zu bewältigen und viele Mitarbeitende sind überlastet. Durch Home-Office hat sich die Situation teilweise noch verschlechtert. Unzählige Telefonkonferenzen und mangelnde Abgrenzung zwischen Beruf und Privatleben sind die Folge. Dies führt dazu, dass viele Menschen nach neuen Arbeitsplätzen suchen, in denen die Situation vermeintlich besser ist. Aber ist der Jobwechsel wirklich das Einzige, was gemacht werden muss, um eine Veränderung zu bewirken?
Als Karriere- und Führungskräfte-Coach kommen viele Klient*innen zu mir, weil sie im Job überlastet sind. Auf der Suche nach einem Job und Unternehmen, in dem die Life-Balance besser ist, wollen sie den Arbeitgeber wechseln. Doch wird sich dadurch etwas ändern?
Folgende Punkte meiner Klient*innen kommen immer wieder auf den Tisch:
- Unzählige Stunden, die sie ehrgeizig in ihre Arbeit stecken
- Wochenendarbeit
- E-Mail-Fluten
- Sofortnachrichtendienste
- Immer erreichbar sein, auch im Urlaub
- Nie ist es genug
- Destruktive Kritik von Vorgesetzten
- Mangelnde Wertschätzung
- Sinkende Motivation
- Keine klaren Verantwortlichkeiten
- Ausgebrannt und das teilweise schon im Alter von unter 30
- Keine Life-Balance mehr
- Zweifel, ob eine Karriere unter diesen Bedingungen wünschenswert ist
- Innere Kündigung
- Planung eines Arbeitgeberwechsels
Ist Karriere machen nur unter solchen Bedingungen möglich? Was kann ich selbst tun? Und was können Firmen und Führungskräfte tun, um ihre Talente nicht zu verbrennen und zu verlieren? Ist ein Arbeitgeberwechsel wirklich die Lösung?
Ist Karriere nur unter solchen Bedingungen möglich?
Auf keinen Fall. Es gibt genügend Unternehmen, die begriffen haben, dass man auf seine Mitarbeitenden achten muss. Dass Leistungsfähigkeit an ein ausgeglichenes Leben gekoppelt ist und Erholungsphasen wichtig für die Produktivität sind. Immer mehr Unternehmen werben mit Familienfreundlichkeit, flexiblen Arbeitszeiten, Teilzeit, Home-Office und anderen mitarbeiterfreundlichen Angeboten.
Dennoch werden aktuell nur die wenigsten Unternehmen Nein sagen, wenn Mitarbeitende ihre Karriereambitionen durch permanente Verfügbarkeit und unermüdliches Arbeiten unterstreichen.
Auch wenn das AZG die zulässigen Arbeitszeiten regelt, wird hier nicht ausreichend kontrolliert und Einhalt geboten. Gerade im Home-Office ist der Rechner schnell wieder an und es wird weitergearbeitet. Mails von Führungskräften am späten Abend oder sogar nachts setzen Mitarbeiter zusätzlich unter Druck und liefern kein gutes Vorbild.
Was kann ich also selbst tun?
Mahatma Ghandi sagt: Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst in der Welt.
Mit anderen Worten: Ich muss mich selbst führen!
Bedürfnisse verstehen:
Im ersten Schritt muss ich mir meine eigenen Bedürfnisse bewusst machen. Wie viel Zeit möchte ich für meine Arbeit aufwenden, wie viel für andere Dinge wie Familie, Freunde, Hobbys und Entspannung. Eigene Bedürfnisse permanent zu ignorieren, führt auf Dauer zu Unzufriedenheit, Erschöpfung und Demotivation.
Grenzen setzen und Disziplin zeigen:
Dann heißt es Grenzen setzen und Disziplin zeigen. Das Wochenende und die Abendstunden sollten der Erholung dienen. Also keine E-Mails und Extrastunden. Den Feierabend und Pausen planen gehört genauso dazu, wie das Handy am Abend und im Urlaub auszuschalten. Wie oft höre ich: „Das geht nicht, – sonst schaffe ich meine Arbeit nicht, daher arbeite ich bis spätabends, am Wochenende und teilweise auch im Urlaub. Da habe ich Ruhe zum Arbeiten.“
Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar definieren:
Wenn ich permanent zu viel Arbeit habe und im Job nicht in Ruhe arbeiten kann, muss ich mir die Frage stellen, ob die Verantwortlichkeiten wirklich klar geregelt sind und alle Aufgaben wirklich zu meinem Job gehören. Wenn ich meine Arbeit nie in der vorgegebenen Arbeitszeit schaffen kann, liegt es vielleicht daran, dass ich zu viele Aufgaben habe. Wenn ich immer wieder ja sage und mich nicht abgrenze, wird das Hamsterrad nie enden.
Zudem lässt meine Leistungsfähigkeit nach, da ich ständig über meine Grenzen gehe. Arbeit bleibt liegen und unter Umständen kommt Kritik auf. Ich fühle mich ungerecht behandelt, weil ich doch so viel Engagement zeige und leiste. Und nur halt die eine Aufgabe mal nicht zeitnah erfüllt habe.
Eine kritische Betrachtung des Aufgabengebietes hilft, Klarheit zu entwickeln und ein Gespräch mit Vorgesetzten zu führen, um Prioritäten zu setzen und Verantwortlichkeiten eventuell neu zu definieren.
Wertschätzung und Feedback einfordern und geben:
Vorgesetzte, die immer nur kritisieren, nicht unterstützen und keine Wertschätzung zeigen, sind nicht zu tolerieren. Wenn ich allerdings nur schlucke und den Konflikt vermeide, wird die Frustration steigen und die Motivation immer weiter sinken.
Manchmal sind sich Vorgesetzte gar nicht bewusst, wie sehr ihr Verhalten den Mitarbeitenden negativ beeinflusst. Daher ist es wichtig, als Mitarbeitender klar und konstruktiv zu kommunizieren, was ich beobachte, fühle und mir für die Zukunft in der Zusammenarbeit wünsche. Nur so hat der Vorgesetzte die Chance, die Situation zu verstehen und Veränderungen herbeizuführen.
Was brauche ich, um besser arbeiten zu können? Welche Unterstützung wünsche ich mir? Wie wird meine Arbeit wahrgenommen?
Manchmal mutmaßt man auch nur, dass der Chef unzufrieden ist und ist überrascht, wenn man sich Feedback holt, wie sehr die eigene Arbeit geschätzt wird.
Auch Führungskräfte brauchen Führung durch Mitarbeitende hinsichtlich ihrer Bedürfnisse und Wünsche. So können auch sie zu besseren Führungskräften werden.
Arbeitsorganisation überprüfen und anpassen:
Wie organisiere ich meinen Tag? Renne ich von einer Telefonkonferenz zur nächsten – ohne Pause? Habe ich keine Zeit für meine Projekte und Themen und mache dies, wenn der Tageswahnsinn vorbei ist?
Wenn meine Klient*innen mal ihre Woche analysieren, stellen sie häufig fest, dass sie in den meisten Telefonkonferenzen keinen Mehrwert für ihre Arbeit hatten. 10 Min. waren relevant und dafür waren sie eine Stunde gebunden. Eine kritische Überprüfung und vorherige Abstimmung zur Teilnahme kann freie Zeiten schaffen.
„Wann besprechen wir mein Thema?“, „Ich komme dann am Anfang 10 Min. in den Call“, kann helfen, Ressourcen und Zeit nicht zu verschwenden und die Planung von Telefonkonferenzen für alle strukturierter machen.
Dann sind da noch die Sofortnachrichtendienste. Plopp, plopp … permanent den ganzen Tag und immer werde ich aus meiner Arbeit gerissen. Wer konzentriert arbeiten will, muss Mails und Sofortnachrichtendienste konsequent ausschalten und auch dafür Zeiten einplanen. Stress wird reduziert und die Effektivität steigt.
Was können Firmen und Führungskräfte tun?
Zunächst einmal haben Führungskräfte eine Vorbildfunktion. Anrufe und Mails am späten Abend und Wochenende sind keine gute Idee. Sie setzen Mitarbeiter unter Druck, ähnlich zu agieren.
Urlaub ist Urlaub und das sollten Führungskräfte respektieren und mit dem Mitarbeiter eine Vertretung und Übergabe von Aufgaben während der Abwesenheit klar regeln.
Regelmäßige Mitarbeitergespräche helfen dabei, frühzeitig eine Überlastung zu erkennen und Mitarbeitende bei der Priorisierung zu unterstützen.
Wertschätzende Kommunikation und konstruktive Kritik helfen, Mitarbeitende in ihrer Entwicklung zu unterstützen und Vertrauen aufzubauen.
Firmen sind verpflichtet, darauf zu achten, dass das AZG eingehalten wird und sie sollten nicht davon ausgehen, dass Mitarbeiter hier selbst auf die Einhaltung achten. Es braucht klarere Ansagen der Geschäftsleitung, ein zuverlässiges Zeiterfassungssystem und konsequentes Handeln von Führungskräften und Personalabteilungen.
Ist ein Arbeitgeberwechsel bei Überlastung im Job wirklich die richtige Lösung?
NEIN! Denn ich trage mein Problem nur von A nach B. Ich nehme mich ja selbst immer mit!
Wenn ich mich nicht verändere und meine Selbstführung verbessere, werde ich auch beim neuen Arbeitgeber wieder in eine ähnliche Situation kommen.
Vielleicht habe ich Glück und der neue Vorgesetzte oder das Unternehmen achtet mehr auf die Mitarbeitenden, aber das hindert mich ja nicht daran, wieder 200% zu geben und meine persönlichen Grenzen zu ignorieren, bis ich wieder am gleichen Punkt stehe.
Sich selbst zu führen, heißt, eigene Bedürfnisse zu erkennen, Grenzen zu setzen, Disziplin in der Umsetzung zu zeigen und klar zu kommunizieren.
Allerdings ist es wichtig, dass der Arbeitgeber eine gesunde Selbstführung auch unterstützt. Sollte dies nicht der Fall sein, ist ein Arbeitgeberwechsel dann doch die richtige Alternative. Man sollte aber im Bewerbungsprozess genau hinsehen, wie die Firmenkultur ist und entsprechende Fragen stellen.
In unserer schnelllebigen und leistungsorientierten Gesellschaft kommt es immer häufiger vor, dass Menschen ihren Arbeitgeber wechseln.
Ein Arbeitgeberwechsel kann jedoch auch zu mehr Stress und Belastung führen, anstatt dass er eine Erleichterung darstellt. Dies ist besonders dann der Fall, wenn man sich selbst nicht verändert oder sich nicht klar ist, welche Art von Arbeit man wirklich machen möchte. Wenn Sie sich in einer solchen Situation befinden, kann ein Coach Ihnen helfen, Klarheit zu gewinnen, Ihre Selbstführung zu verbessern und herauszufinden, was Sie wirklich wollen. Kontaktieren Sie mich für ein unverbindliches Erstgespräch. https://sonnenberger-coaching.de/kontakt/