Ein Gastbeitrag von Leonie Tsorpatzidis
Veränderung ist das neue Normal. Ob digitale Transformation, neue Geschäftsmodelle oder persönliche Neuausrichtung – Wandel ist allgegenwärtig und wir sind alle davon betroffen. Und trotzdem: Für viele von uns fühlt sich Veränderung nicht nach positivem Aufbruch, sondern nach negativem Widerstand an. Warum eigentlich? Und wie schaffen wir es, unseren Umgang mit Veränderung aktiv zu gestalten – als Führungskraft, als Teammitglied, als Unternehmer:in oder ganz einfach als Mensch?
Warum Veränderung schwerfällt – ein Blick ins Gehirn
Unser Gehirn liebt Gewohnheiten. Sie sind energiesparend und effizient. So können wir die Energie auf das lenken, wo wir sie auch gerne einsetzen. Veränderungen dagegen bedeuten Unsicherheit – und das aktiviert unser „Alarmzentrum“ im limbischen System, besonders die Amygdala. Die Folge: Stress, Zweifel, Widerstand.
Psychologen nennen dieses Phänomen „kognitive Dissonanz“ – wenn neue Informationen nicht zum bestehenden Weltbild passen, erzeugt das inneren Druck. Wir neigen dazu, Bekanntes zu verteidigen, auch wenn es nicht mehr hilfreich ist. Auch dafür gibt es einen psychologischen Begriff: Status-Quo-Bias. Die Evolution hat uns dazu gebracht zu erkennen, was für uns Gefahr bedeutet, um unser Überleben zu sichern. Problem ist heutzutage nur: viele können nicht mehr unterscheiden was wirklich gefährlich ist und was einfach unangenehm ist. Es ist also völlig menschlich, dass wir bei Veränderungen erst einmal in den Alarmmodus gehen.
Da sich Halbwertszeiten, technologische Entwicklungen und auch soziale Gegebenheiten mittlerweile so rasant verändern, ist es unabdingbar zu lernen mit Veränderungen umzugehen. Gar nicht so einfach, denn wenn wir an einem Tag von neuen Möglichkeiten durch remote Arbeiten oder agilen Arbeitsweisen sprechen, erscheint am nächsten Tag schon die nächste Schlagzeile, wie künstliche Intelligenz unser Arbeitsleben komplett verändern wird. Wir sind dem Wandel dauerhaft ausgesetzt und jede:r entscheidet für sich: gehe ich das Thema an und lerne die Chancen zu erkennen oder lasse ich mich von den Veränderungen überrollen.
Change Mindset – der Schlüssel liegt in der Haltung
Ein „Change Mindset“ bedeutet, Veränderung nicht nur zu akzeptieren, sondern aktiv zu gestalten. Es ist die Fähigkeit, offen, lernbereit und resilient zu bleiben – auch wenn es mal unbequem wird.
Carol Dweck, Psychologin an der Stanford University, spricht in diesem Zusammenhang vom Growth Mindset: Menschen mit dieser Haltung glauben, dass Fähigkeiten entwickelt werden können – durch Einsatz, Lernen und Erfahrung. Fehler sind Möglichkeiten etwas Neues zu lernen, wenn ich etwas noch nicht kann, dann erarbeite ich es mir und Situationen, die starr erscheinen erkenne ich als facettenreich und sehe die verschiedenen Szenarien. Mit einem Growth Mindset bin ich in der Lage zu wachsen – egal was auch passiert. Genau diese Denkweise brauchen wir, um Wandel nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu sehen.
Das Gegenteil zum Growth Mindset ist das Fixed Mindset. Wenn du dich dabei erwischst folgende Sätze zu sagen oder zu denken, kann es gut sein, dass deine Denkweise eher fix ist:
- Das haben wir bisher immer so gemacht
- Ich kann das nicht, das geht nicht – ich lasse es lieber
- Es gibt hier keine andere Möglichkeit
- Das ist zu anstrengend und ein zu großer Aufwand, das ist es nicht wert
Und jetzt konkret: Was kann ich tun?
Wir alle haben viele Rollen im Leben: Führungskraft, Eltern, Partner:in, Freund:in, Nachbar:in, Angestellte:r und so weiter. Um besser mit Veränderungen klarzukommen ist vor allem eines wichtig: die Selbstverantwortung zu übernehmen. Niemand wird sich für dich darum kümmern, dass du bereit für Neues bist, niemand wird sich für dich darum kümmern, dass du die Chancen und Lernmöglichkeiten entdeckst und niemand wird sich für dich darum kümmern, dass es einfach wird. Das muss jede:r für sich selbst tun!
Natürlich können wir uns gegenseitig unterstützen und das sollten wir auch, aber der erste Schritt ist zu sich zu sagen: ja ich will daran arbeiten. Hier haben wir ein paar Tipps zusammengestellt wie du in verschiedenen Rollen Offenheit für Veränderungen trainieren und andere dabei unterstützen kannst:
Als Führungskraft: Psychologische Sicherheit schaffen
- Vorleben: Zeig selbst, wie du mit Unsicherheit und Fehlern umgehst. Gefühle gehören zu uns Menschen wie jedes Körperteil dazu, also lerne zu erkennen was dich bewegt und teile es.
- Feedback einladen: Schaffe Räume für offene Kommunikation – ohne Angst vor Konsequenzen. Ein offener Austausch und das Gemeinschaftsgefühl kann in unsicheren Zeiten viel Stabilität bieten.
- Vision vermitteln: Zeig auf, wozu der Wandel dient. Menschen folgen keinen Plänen, sondern Sinn. Wozu tun wir das? Was ist der langfristige Nutzen davon?
Übung: Starte Meetings mit einer „Lernrunde“ – Was hat letzte Woche (zum Glück) nicht funktioniert? Was lernen wir daraus?
Als Mitarbeiter: Vom Reagieren ins Gestalten kommen
- Selbstreflexion: Was macht mir an Veränderungen Angst? Was brauche ich, um mich sicher zu fühlen? Teile die Antworten auch gerne mit deinem Team.
- Netzwerke nutzen: Austausch hilft, neue Perspektiven zu gewinnen. Neue Perspektiven einzunehmen ist sehr wertvoll und fördert ein Growth Mindset.
- Mini-Experimente: Probiere kleine Veränderungen aus – neue Tools, neue Routinen. Schau wie es funktioniert, notiere deine Learnings und überlege dir wie es beim nächsten Mal (noch) angenehmer sein kann.
Übung: Journaling: Jeden Freitag 5 Minuten – Was habe ich diese Woche gelernt, das mir am Anfang Angst gemacht hat? Wann bin ich diese Woche über meinen Schatten gesprungen und welche positiven Emotionen hat das ausgelöst?
Als Unternehmer: Die Veränderung systemisch denken
- Change als Dauerzustand verstehen – und Strukturen schaffen, die das unterstützen. Die Akzeptanz, dass Veränderungen immer dazugehören ist der wichtigste Schritt, dann gilt es die Systeme, Strukturen so flexibel zu gestalten, dass eine Anpassung möglich ist.
- Fehlerfreundliche Kultur etablieren: Ohne Raum für Scheitern kein Raum für Innovation. Sei fehlerfreundlich zu dir selbst und deinem Team. Welche Chancen entstehen durch die Fehler?
- Transparenz leben: Nichts dem Zufall überlassen – Wandel braucht Klarheit. Eine Vision hilft Orientierung zu schaffen, regelmäßige Kommunikation hilft Verständnis zu etablieren und kreiert ein Stück von Kontrolle.
Methode: „Change Canvas“ nutzen – ähnlich dem Business Model Canvas, aber mit Fokus auf emotionale, kulturelle und strukturelle Aspekte der Veränderung.
Als Mensch: Neugier kultivieren
- Reframing: Statt „Was verliere ich?“ frage: „Was kann ich entdecken?“ Einen neuen Rahmen um die Situation oder das Thema legen und die Einstellung bewusst lenken.
- Mikroschritte: Große Veränderungen beginnen mit kleinen Gewohnheiten. Nach der 1% Methode gehen und jeden Tag ein kleines bisschen voranschreiten – jede:r geht seinen Weg und das ist auch gut so.
- Emotionen zulassen: Veränderung ist auch Trauer. Gib dir Raum, das zu verarbeiten. Nach dem klassischen Modell der Change Kurve gehören viele Gefühls-Stadien zu Veränderungen dazu und jede:r durchläuft sie in eigener Geschwindigkeit und manchmal auch Reihenfolge. Das ist in Ordnung und du darfst darauf hören, was du in diesem Moment brauchst.
Übung: Jeden Tag eine Sache anders machen – den Arbeitsweg, das Mittagessen, den ersten Gedanken morgens und dann überlege dir: was hat es mir gebracht, welche positiven Emotionen wurden geweckt und welche tollen Momente durfte ich dadurch erleben?
Fazit: Veränderung beginnt im Kopf – und im Herzen
Ein Change Mindset zu entwickeln ist kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Je bewusster wir unsere Reaktionen verstehen und gestalten, desto wirksamer können wir im Wandel navigieren – ob als Führungskraft, Teammitglied, Unternehmer:in oder Mensch. Es kann und darf Zeit dauern und geht nicht von heute auf morgen. Ein Mindset, eine Einstellung zu verändern oder zu entwickeln ist eine Reise, die dauert und die Spaß machen soll. Wichtig ist die Erkenntnis, das niemand darum rum kommt und wir es selbst in der Hand haben, wie wir mit diesen veränderungsreichen Zeiten umgehen (wollen).
Veränderung tut weh – Wachstum noch mehr. Aber Stillstand ist keine Option.